Wir haben die heimische Scholle verlassen. Das fällt mir immer nicht ganz so leicht. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die ständig in Urlaub müssen. Der Corona-Reisestopp in den letzten Jahren hat mir persönlich nicht so viel ausgemacht. Ich fand "Urlaub im Garten" auch eine sehr schöne Alternative! ;-)
Aber ab und an bekommen wir Sehnsucht nach dem Meer. Und dann müssen wir los. Dieses Mal haben wir einen Stopp in den Beelitzer Heilstätten gemacht. Manch' eine kennt das vielleicht von Euch. Vom Namen her, vom Schild an der Autobahn A9 an der Abfahrt "Beelitzer Heilstätten" oder vom Ruf der Medizinischen Einrichtung als Lungenfachklinik/Neurologische Fachklinik.... Aber wir waren jetzt endlich mal dort, um den "lost place" zu besichtigen. Richtig "lost" ist das Arreal ja nicht mehr, vor ein paar Jahren hat ein Unternehmer den Wald gekauft und war dann doch sehr überrascht, was für Gebäude dort mitten im Wald verrotten! Kommt, ich nehme Euch mal mit. Die Klinik wurde zur Jahrhundertwende vor 120 Jahren errichtet. Inzwischen sind alle Bäume, die die Gebäude zuwuchterten, entfernt und man hat einen guten Blick auf die Gemäuer.
Man sieht am Stil der Gebäude sehr gut, dass damals noch "schön" gebaut wurde. Rings um alle Gebäude stehen fest installierte Bauzäune, so dass die Besucher sich nicht in die Ruinen verirren. Aber wenn man die Zäune ein bisschen ignoriert, kann man sich an der Architektur wirklich erfreuen!
Das ist das Obergeschoss der zentralen Küche.
Gebaut wurde der Klinikkomplex damals mit richtig viel Geld der Landesversicherungsanstalt. Es hatte die ersten Sozialgesetze gegeben und die Rentenkasseneinnahmen erbrachten einen krassen Überschuss, weil viele Menschen ihre Rente nicht erreichten, sondern eher starben. Schuld daran war in diesen Jahren auch die Tuberkulose, die bei den schlechten Lebensbedingungen der Arbeiterklasse in Berlin wütete. Dem sollte nun entgegen gewirkt werden. Die LVA hat eine Therapie in Beelitz auch für die Armen der Arbeiterklasse bezahlt, wenn sie in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis standen. Damit war Berlin Weltklasse! Und die ganze Klinik arbeitete nach Spitzenmaßstäben. Die Hygienemaßnahmen waren hochmodern, es gab viel und gut zu essen - eins der Therapieziele. Das führte übrigens dazu, dass bei den Besuchstagen viele Lebensmittel aus der Klinik geschmuggelt wurden, denn zu Hause gab es eben nicht viel und gut zu essen...
Ein hochmodernes Krankenhaus entstand. Streng getrennt nach Männern und Frauen. Das ist z.B. der Frauenpavillion
Es gehörten immer Liegekuren mit zur Behandlung. Viele Stunden am Tag Liegen an der frischen Luft. Die Liegehallen haben kaum überlebt. Hier guckt man von oben auf ein ausgebranntes Bauwerk, wo die Hitze die Metallstreben völlig verbogen hat. Krass, oder?
Die Steinmauern dienen nur dazu, dass das Bauwerk nicht umfällt. Ursprünglich war die Liegehalle ein Holzgebäude, auf einer Seite offen. Später konnten wir dann noch eine gut erhaltene sehen:
Beeindruckend wird das Gelände durch den Baumkronenpfad, der den Besuchern ermöglicht, von oben auf die Anlagen zu schauen. Erst mal muss man natürlich hoch.
Und dann läuft man hoch in den Bäumen und sieht verschiedene Baumarten hautnah. Auch das ist ein seltsamer Anblick, den man sonst so nicht sehen kann - so dicht am Blattwerk.
Teilweise war man viel höher als die Gebäude und die Bäume
Und manchmal ist man mit den Ruinen Aug-in-Aug.
Der Baumkronenpfad bietet zusätzlich Kletterattraktionen für Groß und Klein.
Da mussten wir natürlich auch durch! *lach*
Später haben wir dann noch eine Führung in der Alten Chirurgie mitgemacht. Das war das letzte Gebäude, das auf dem Gelände fertig gestellt wurde. Schon deutlich moderner und im Moment außen teilsaniert, damit man sich mal vorstellen kann, wie das Ganze damals gewirkt hat
Hier waren die Liegehallen direkt vor den Zimmern.
Innen in marodem Zustand wie alle Gebäude.
Aber auch hier ein ganz spezieller Charme der Architektur!
Der Bauschutt, abgeplatzte Putz... wurde einfach nur am Rand zusammen geschoben damit die Besucher durchgehen können...
In nur wenigen Räumen noch altes Inventar:
Die Klinik wurde von Kriegsende bis in die 90er hinein als russisches Militärkrankenhaus genutzt, das einen guten Ruf hatte. Vandalismus und Verfall setzten erst nach dem Abzug der Russen ein. Dafür dann umso heftiger!
Ziel der neuen Eigentümer ist Notsicherung. Es werden wohl keine Gebäude tatsächlich saniert werden. Umso mehr haben wir gestaunt, als auf der anderen Straßenseite - im ehemaligen Männerkomplex - tatsächlich eines der Häuser fast fertig saniert war. Wunderschön!
Das gehört vermutlich zur aktiven neurologischen Klinik, die man in der Ferne sehen konnte. Nun hoffen wir, dass es irgendwie gelingt, die Häuser vor dem weiteren Verfall zu bewahren. Denn die Architektur damals hatte einfach was....
Dann mussten wir weiter, denn neue Abenteuer warteten auf uns! Aber davon berichte ich Euch ein anderes Mal.