Weiter geht's noch ein Stück durch das Thüringer Schiefergebirge!
An der Hohenwartetalsperre war das Wetter eher kühl und trübe und das - gemeinsam mit der Erzählung eines nächtlichen Anglers, dass es hier 2,50m lange Welse gäbe - lockte mich dann doch nicht zum Baden...
Nach unserer Übernachtung an der Hohenwartetalsperre sind wir noch mal ein paar Kilometer zurück gefahren in das Schiefergebirge. Wir wollten mal nach dem zweiten großen Schieferbruch sehen, der befand sich in Schmiedebach. Aktuell wird hier immer noch gearbeitet, eine Nachfolgefirma arbeitet das Haldenmaterial auf zu Straßenbaumaterial. Das fanden wir während der Führung am Vortag tatsächlich sehr interessant: beim Schieferabbau entsteht von vorn herein 90% Abraum, nur 10% ist zu gebrauchen und beim Zerlegen in Platten bleibt am Ende nur 6% übrig. Der riesige Rest wurde früher einfach auf Halden gekippt. Jetzt gibt es offenbar neue Technologien, die eine Nutzung des Abraums möglich machen.
Am Rand des Oertelsbruchs in Schmiedebach befindet sich die KZ-Gedenkstätte Laura, eine Außenstelle des KZ Buchenwald. Denn, wie an anderen Orten auch, wurde hier das Bergwerk genutzt für unterirdische Kriegsmaschinerie. Vor ein paar Jahren haben wir mal die KZ-Gedenkstätte Mittelbau Dora in Nordhausen besucht, dort wurden im Bergbau im 2. Weltkrieg V2-Raketensprengköpfe produziert. Hier im Thüringer Wald im Oertelsbruch wurden diese dann unterirdisch getestet. So schließen sich manchmal Informationskreise.... Der Oertelsbruch ist nach dem Unternehmer Oertel benannt, der im Umfeld alle lukrativen Schieferbrüche aufgekauft hatte. Aber der war wohl nicht nur Kapitalist, sondern auf der anderen Seite auch sozial eingestellt: er hat für seine Mitarbeiter in der Nähe der Brüche Häuser bauen lassen, eine Schule, sogar ein Krankenhaus, dazu natürlich Werkstätten und sogar eine Landwirtschaft.
In einer seiner großen Scheunen waren damals die Häftlinge untergebracht, die dort unter unmenschlichen Bedingungen hausen mussten und die schwere Arbeit im Bergwerk war nicht besser.
Die Gedenkstätte hat mich persönlich sehr beeindruckt. Sie lässt auf großen Tafeln verschiedene ehemalige Häftlinge von ihren Erlebnissen berichten. O-Ton. So treten einzelne Schicksale aus der Masse der Geschichtszahlen heraus. Und so kam es, dass wir völlig ungeplant dort gleich mehrere Stunden zugebracht haben...
Die Mitarbeiterin, die die Ausstellung betreut, hat sich mit uns unterhalten und viel von der Gegend erzählt. Und da war es schon greifbar - unser nächstes Ziel! Wir hatten nämlich gelesen, dass dort irgendwo in der Nähe ein verlorenes Dorf sein soll, ein lost place, mit vielen Gebäuden. Im Gespräch mit der Museumsmitarbeiterin wurde klar, dass es sich um die Häuser der ehemaligen Bergarbeitersiedlung um den Oertelsbruch handelt. Sie erzählte uns, dass sie selbst bis in die 90er Jahre dort gelebt hat und in welcher Richtung das Dorf im Wald liegt. Also machten wir uns auf und trafen bald auf die ersten Häuser.
Schieferverkleidet, logisch.
Verstreut im Wald ganz viele verschiedene Gebäude, Wohnhäuser, Ställe, Werkstätten, die Oertel-Villa, die "weiße Villa". Alle sind dem Verfall preisgegeben. Wir treffen einen jungen Mann, der uns erzählt, dass in diesem Haus bis in die 90er Jahre das Lehrlingswohnheim der Schieferdachdecker untergebracht war:
Nun ist es wohl nicht zu retten.
Ganz in der Nähe tatsächlich die "weiße Villa" der Familie Oertel.
Hier hauste im 2. Weltkrieg die Wehrmacht, das gesamte Gelände mit allen Schachtanlagen war von dem Unternehmer Oertel gepachtet worden. Nach dem Krieg wurde er enteignet und nun holt der Wald sich allmählich das Oertelrefugium zurück und es wächst Gras über die Hinterlassenschaften der früheren Bewohner...
Beeindruckend waren auch die Werkstattgebäude.
Mit wieviel Geschmack und Sinn für Schönheit damals noch selbst eine Werkstatt gebaut wurde!
Wir laufen weiter am Rand des Oertelsbruchs entlang und finden noch verschiedene Tunnelschächte, die ins Nirgendwo führen - nichts für uns: dafür sind wir nicht ausgerüstet! Es ist verboten und gefährlich, in den früheren Bergwerksanlagen herumzukriechen.
Weit unter uns liegt die Tagebaugrube mit einem kleinen Schiefersee
aber so richtig gesund sieht das da unten nicht aus!
Und wieder Häuser im Wald...
Bei manchen sieht es so aus, als seien die Bewohner noch nicht lange weg.
Alles ist frei zugänglich, nur ein bisschen rote Farbe weist auf die Gefahren hin.
Es war eine Mischung aus Neugier und Melancholie, die uns durch diesen Wald geführt hat. Es war sicher nicht leicht für die "Brücher" - wie sie sich selbst nannten - ihre Heimat zu verlassen. Aber der Oertelbruch war nicht mehr und die Siedlung verlor ihre Daseinsberechtigung dort mitten im Wald...
Vermutlich haben wir bei Weitem nicht alle Gebäude gefunden, das Krankenhaus zum Beispiel nicht. Aber wir wollten weiter am Tagebaurand entlang, kamen an der Motorcrossstrecke vorbei und haben noch eine Weile den wagemutigen jungen Menschen zugeschaut
Und dann haben wir das Thüringer Schiefergebirge wieder hinter uns gelassen. Aber wenn Ihr glaubt, das wäre nun genug für zwei Wochen Urlaub gewesen, so irrt Ihr euch. Ich werde Euch noch mehr Schönes und/oder Spannendes zeigen, aber ich muss erst mal wieder Fotos sortieren...