Montag, 17. November 2025

Ein paar Tage in Halle

Als ich Euch von den Stećci Medieval Tombstones Graveyards erzählt habe, die wir in unserer West-Balkan-Reise gesehen hatten, fragte Viola in ihrem Kommentar, ob ich den Stadtgottesacker in Halle kennen würde, den müssten wir uns unbedingt anschauen. Damals hatte ich gegooglet und war sofort Feuer und Flamme. Und so kam es, dass uns unsere letzte Reise mit dem Camper für dieses Jahr nach Halle führte. 
Das ist von uns nicht so weit weg, aber mit Übernachtung ist man natürlich deutlich flexibler.
Wir fahren bei nebligem und echt kaltem Wetter nach Halle. Dort bekommen wir für 5 Euro einen 24-Stunden-Stellplatz zentrumsnah und gehen ins Landesmuseum für Vorgeschichte.


Die Ausstellung gefällt uns sehr gut weil die Lebensweise der Ur- und Frühmenschen sehr anschaulich dargestellt ist. Wir lesen eine Menge, was wir noch nicht wussten, zum Beispiel, dass in unserer Region vor grauen Zeiten Waldelefanten lebten.


Und die Himmelsscheibe von Nebra im Original zu sehen ist natürlich auch ein Ereignis!


Spannend fanden wir die Hausurnen (ca. 700 v.Chr.), in denen die Asche der Verstorbenen aufbewahrt wurde und in denen vielleicht auch ihre Seele wohnte. Immer mit Türchen damit die Lebenden Kontakt zu den Seelen aufnehmen konnten.


Und solche Ansammlungen von Sicheln hatten wir auch noch nie gesehen. Sie wurden als Erntedankopfergaben in großer Zahl in Tongefäße gegeben und vergraben.


Sehr spannend war auch die filmische Darstellung der Völkerwanderung über die Jahrhunderte.
Für abends hatten wir uns Plätze im Planetarium gebucht. Sterne zur Musik von der Pink Floyd Scheibe "The Dark side of the moon". Besser geht doch nicht, oder? Es gab tiefschwarze Sternenhimmel, Raumschiffe, tickende Sternenuhren, Einzeller.... Die Animationen waren außerordentlich beeindruckend, wenn auch für meinen Geschmack manchmal zu schnelle Bildwechsel. Diese Veranstaltung ist eine Wanderveranstaltung durch die Planetarien. Wer also Pink Floyd mag kann ja mal in seiner Umgebung forschen...


Leider war das Handy allerallerstrengstens verboten, so dass es keine Fotos oder Videos gibt.
Wir hatten im Planetarium gefragt und durften über Nacht auf dem großen Parkplatz stehen bleiben. Es war bitter kalt und wir haben die Standheizung die ganze Nacht laufen lassen, da war es sehr gut erträglich. Der Tag startete dann allerdings mit Hindernissen: die Standheizung hat die Batterie leer gesaugt. Zum Glück hat Herr B. für solche Sachen voll den Plan: zum Anlassen hat er die Zweitbatterie (für Kühlschrank, Licht, Kochen etc.) ausgebaut und wir haben sie vorn als Starthilfe benutzt - ging!


Dann sind wir zum Lokomotiv-Museum der Deutschen Bahn gefahren. Man sieht bei der Durchfahrt durch Halle Richtung Autobahn/Berlin/Ostsee den runden Lokschuppen mit Drehscheibe rechts der Straße liegen. Das wollten wir schon immer mal ansehen und hatten jetzt gelesen, dass die DB das Museum zum Jahresende schließt. Also letzte Gelegenheit!


Es gibt alte Lokomotiven, allerhand Bahngerät, die Drehscheibe vor dem Lokschuppen und eine elektrische Eisenbahn zu sehen.


Und natürlich jede Menge zu lesen, zum Beispiel, dass die DDR mangels Steinkohle die Loks eine Zeit lang mit Kohlestaub geheizt hat. Das brachte mehr Energie als die Braunkohle. Und dass teilweise die Reparationsleistungen aus der Sowjetunion zurück kamen, auch Loks.
Beeindruckend fand ich nicht soo sehr die Technik, dafür die bemalten Fenster!


Eines unserer großen Ziele für diese Tage war natürlich der Besuch des Stadtgottesackers.


Er hat eine umlaufende Mauer, in deren Innenseite 94 Gruften mit Bogenportal eingelassen sind.


Die Anlage stammt schon aus dem 16. Jahrhundert.


Die Bögen wurden nach und nach verkauft, später auch wieder verkauft und neu belegt. Eine Ecke wurde im 2. Weltkrieg zerbombt und später neu errichtet.


Dank einer großen Spende war es möglich, eine Restaurierung in Angriff zu nehmen. Die verwitterten Sandsteinbögen wurden von Studenten der Kunsthochschule Burg Giebichenstein teilweise neu gestaltet.


In manchen befinden sich jetzt Gemeinschaftsurnenwände


Die Grabsteine entstammen vielen verschiedenen Jahrhunderten.


Die Kultur dabei ändert sich natürlich.


Erstaunlich fanden wir, dass man offenbar bereits vor seinem Ableben Grabstellen kaufen und Steine setzen lassen kann.


So gar nicht klassische Motive haben wir auch gesehen:


Viele der Grabstellen sind Familiengräber, in denen mehrere Personen nach und nach beigesetzt wurden.


Ein wunderbarer Ort!


Parken in der Großstadt ist ja mit einem Camper oft nicht so einfach. Aber Halle bietet da am alten Fährhafen einen guten Platz. Schon am ersten Tag hatten wir hier tagsüber geparkt. Die öffentliche Toilette hat zwar nachts geschlossen, ist aber ordentlich.


Strom gibt es gratis weil der Geldeinwurf an der Säule defekt ist. Gut für uns, so machen wir es uns am zweiten Abend mit der Dachklimaanlage so richtig gemütlich. Die braucht Landstrom. Das war gut für unsere zweite Übernachtung, denn für den nächsten Tag hatten wir noch ein weiteres Vorhaben:
Das Kunstmuseum ist in der alten Moritzburg untergebracht. Schon von außen interessant.


Rund um den Burghof stehen sehr verschieden sanierte Gebäude.


Die alten Meister sind in einem um 1900 neu erbauten Teil untergebracht, in dem Bauteile aus anderen Hallenser Gebäuden zusammengetragen wurden.


Das ist erstaunlich gut gemacht, es sieht aus wie "gewachsen"


Der größte Teil der Sammlung sind aber Werke ab Impressionismus und Expressionismus. Eine sehenswerte Sammlung!, auch wenn ein paar Kunstbanausen im Internet was anderes schreiben... Die Feininger mag ich besonders.


Er hat damals hier im Turm der Moritzburg gemalt. Feininger war mit einem Gemälde einer Stadtansicht von Halle beauftragt worden und hat sich prompt in die Stadt verliebt, ist hängengeblieben und deshalb gibt es viele Ansichten von Halle.


Auch besonders fand ich Otto Dix's Kopfweiden.


Jawlenskis Gesichter sind uns schon aus anderen Museen vertraut.


Wir sehen die Bildende Kunst und die Gebrauchskunst von Bauhaus und Burg Giebichenstein, z.B. die Vorratskuben aus Pressglas von Wilhelm Wagenfeld (1938).


Noch nie gesehen: ein Bild aus der Zeit des Nationalsozialismus, sichtbar überarbeitet von Sandra del Pilar mit einem Netzwerk aus Linien und Zahlen mit einer "Legende".


Die Auseinandersetzung der Künstler der jungen DDR mit dem Regime ist gut dargestellt. Hermann Bachmanns "Mohn vor der Reife" (1950/1952) hat mich besonders beeindruckt. Bachmann ist kurze Zeit später ausgereist in die BRD.


Ganz am Rande freuen wir uns an den Lampen in einem der Treppenhäuser. Sie stammen von dem zeitgenössischen Münchner Künstler Gregory Prade.


Man kann es kaum glauben, aber wir haben die Öffnungszeit des Museums voll ausgenutzt. Rentner haben ja Zeit....
Wir hatten eine wunderbare Zeit in Halle, haben unglaublich viel gesehen und waren uns wieder einmal einig, dass man nicht unbedingt wochenlang meilenweit weg reisen muss, sondern das Gute so nahe liegt.
Nun bin ich dabei den Camper auszuräumen und er wird "eingewintert". Neue Reiseberichte wird es also erst nächstes Jahr geben...

4 Kommentare:

  1. Ui, die Feininger Bilder sind nachahmungswürdig in Stoff.

    Nana

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  2. Der Stadtgottesacker in Halle ist eine der schönsten Nekropolen die ich kenne ( und ich suche, egal wo ich bin, solche auf ). Aber auch sonst hat die Stadt viel zu bieten, war allerdings, als ich dort war, noch sehr renovierungsbedürftig bzw. vieles im Bauzustand. Leider war damals die Himmelsscheibe ausgeliehen. Die hätte ich gerne gesehen.
    Nein, man braucht nicht weit zu reisen. Für mich als Westlerin war der "wilde Osten" eine Offenbarung...
    GLG
    Astrid

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  3. Das klingt nach einem sehr guten Kurzurlaub .... der Leiter des Planetarium ist übrigens der Schulfreund meines Mannes und Patenonkel der Tochter :-)

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  4. Danke fürr die interessante Stadtführung. Leider bin ich für diese Besuche noch nicht fit genug. Dabei hätte ich gerne dort meinen Enkel besucht, der dort als Kölner studiert. Liebe Grüße von Frauke

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